Die Macht des Framing: Wie Sprache unser Verhalten lenkt
Worte sind nie neutral. Sie formen Wahrnehmung, beeinflussen Entscheidungen und gestalten Realität. Wer Framing versteht, erkennt die unsichtbaren Kräfte hinter dem Gesagten.
Sprache transportiert nicht nur Informationen. Sie erzeugt Bedeutungen. Der Begriff Framing beschreibt diesen Mechanismus: Es geht um die Rahmung von Aussagen, also um die sprachliche Einbettung, die bestimmt, wie Inhalte verstanden, bewertet und erinnert werden. Frames lenken die Wahrnehmung, strukturieren das Denken und beeinflussen das Verhalten – oft ohne dass wir uns dessen bewusst sind.
Die kognitive Linguistik, insbesondere durch die Arbeiten von George Lakoff, hat gezeigt, dass unser Denken metaphorisch strukturiert ist. Worte aktivieren mentale Modelle, sogenannte Frames, die tief in unseren neuronalen Netzwerken verankert sind. Diese Frames bestimmen, was wir aus einer Aussage herauslesen – und was nicht. Sie setzen automatisch Prioritäten im Verstehen und steuern unsere emotionale Reaktion.

Framing ist kein rhetorischer Trick. Es ist ein fundamentaler Mechanismus menschlicher Kognition. Schon die Wahl eines einzigen Begriffs kann darüber entscheiden, wie eine Situation interpretiert wird. Wer etwa von „Steuerlast“ spricht, ruft Assoziationen von Belastung und Unfreiheit auf. Derselbe Sachverhalt – das Entrichten von Steuern – wird bei der Formulierung „Beitrag zum Gemeinwohl“ in einen völlig anderen Deutungsrahmen gestellt. Inhaltlich identisch, kognitiv gegensätzlich.
In der Psychologie spricht man hierbei von kognitiver Rahmung. Sie bestimmt, welche Aspekte einer Information hervorgehoben und welche ausgeblendet werden. Dieser Effekt wurde in zahlreichen Studien empirisch belegt. Insbesondere die Experimente von Tversky und Kahneman zur Entscheidungspsychologie zeigten, dass Menschen identische Fakten unterschiedlich bewerten – je nachdem, wie diese sprachlich präsentiert werden. Das berühmte Beispiel: Ein Medikament mit „90 % Überlebensrate“ wirkt vertrauenswürdiger als eines mit „10 % Sterblichkeit“, obwohl beide Aussagen mathematisch gleich sind.
Framing ist allgegenwärtig. In Medien, in Politik, in Werbung – aber auch im Alltag, in Gesprächen, in Projekten. Die Art und Weise, wie wir sprechen, erzeugt Wirklichkeit. Wer diese Mechanismen versteht, erkennt, dass Worte nie neutral sind. Sie setzen einen Rahmen – und dieser Rahmen entscheidet, wie wir die Welt sehen.
Wie Frames unser Denken strukturieren – ohne dass wir es merken
Menschen verarbeiten Informationen nicht rein rational. Unser Gehirn filtert, sortiert und interpretiert ständig – oft blitzschnell, oft unbewusst. Genau hier setzt der psychologische Mechanismus des Framing an: Er bestimmt, welche Aspekte einer Information kognitiv aktiviert und emotional eingefärbt werden. Frames wirken wie mentale Scheinwerfer. Sie beleuchten bestimmte Details – und lassen andere im Dunkeln.
Neurowissenschaftliche Studien zeigen, dass Sprache nicht nur semantisch, sondern auch emotional verarbeitet wird. Begriffe aktivieren neuronale Netzwerke, die mit Erfahrungen, Bewertungen und Bedeutungen verknüpft sind. Wird ein Frame aktiviert – etwa „Krieg gegen das Virus“ – ruft dies automatisch Konzepte wie Bedrohung, Kampf, Sieg oder Opfer hervor. Diese Begriffe bleiben unausgesprochen, prägen jedoch das gesamte Verständnis der Botschaft.
Framing ist deshalb kein Randphänomen, sondern ein zentraler Bestandteil unseres Denkens. In der kognitiven Psychologie wird dieser Effekt unter dem Begriff Top-down-Verarbeitung gefasst: Vorwissen, Erwartungen und sprachliche Kontexte steuern die Interpretation neuer Informationen. Ein Satz wie „Die Massnahme schützt gefährdete Gruppen“ aktiviert automatisch ein Fürsorge-Frame – während „Die Massnahme schränkt die Freiheit ein“ ein Freiheits-Frame hervorruft. Beide Aussagen können sich auf denselben Sachverhalt beziehen, erzeugen aber völlig unterschiedliche Reaktionen.
Der Effekt des Framings zeigt sich besonders stark bei komplexen oder ambivalenten Themen. In solchen Fällen verlassen sich Menschen auf sprachliche Orientierung, um Unsicherheit zu reduzieren. Dabei wirken Frames wie kognitive Abkürzungen (Heuristiken), die helfen, schnell zu urteilen – allerdings auf Grundlage des gewählten sprachlichen Rahmens, nicht auf Basis vollständiger Information.
Das Gefährliche daran: Framing funktioniert auch dann, wenn der Frame als solcher nicht erkannt wird. Menschen halten ihr Verständnis für objektiv, obwohl es sprachlich geleitet wurde. Das macht Framing zu einem machtvollen Instrument – in der Kommunikation, in der Meinungsbildung und in der Entscheidungsfindung.
Wer Frames erkennt, gewinnt Autonomie im Denken. Wer sie anwendet, übernimmt Verantwortung für die Wirkung seiner Worte. Denn Sprache lenkt nicht nur, wie wir kommunizieren – sie lenkt, wie wir die Welt wahrnehmen.
Klassische Beispiele aus Forschung und Alltag
Die Wirksamkeit von Framing wurde in zahlreichen psychologischen Experimenten eindrucksvoll belegt. Besonders einflussreich sind die Studien von Amos Tversky und Daniel Kahneman, die zeigten, wie stark Entscheidungen durch sprachliche Formulierungen beeinflusst werden – auch wenn der objektive Informationsgehalt identisch bleibt.
Ein klassisches Beispiel: Probanden wurden vor die Wahl gestellt, zwischen zwei medizinischen Behandlungsoptionen zu wählen. Variante A wurde mit „90 % Überlebenswahrscheinlichkeit“ beschrieben, Variante B mit „10 % Sterblichkeitsrate“. Inhaltlich identisch, kognitiv gegensätzlich. Der Frame „Überleben“ aktiviert Sicherheit und Hoffnung, während der Frame „Sterblichkeit“ Angst und Risiko evoziert. Die Mehrheit entschied sich für Variante A – ein Beleg für die kognitive Macht sprachlicher Rahmung.
Auch im politischen Diskurs wird Framing gezielt eingesetzt, um komplexe Themen zu emotionalisieren und handlungsleitend zu gestalten. Begriffe wie „Rettungsschirm“ suggerieren Schutz und Stabilität – und verschleiern die Tatsache, dass es sich um milliardenschwere Finanzhilfen handelt. Die Formulierung „CO₂-Steuer“ hingegen betont Belastung und Einschränkung, während „Klimaschutzbeitrag“ dieselbe Massnahme als konstruktive Beteiligung rahmt.
In der Werbung ist Framing längst Standard. Produkte werden als „zuckerreduziert“ statt „nur 10 % Zucker“, als „fettarm“ statt „enthält 20 % Fett“ beworben. Die kognitive Wirkung ist entscheidend: Der positive Frame reduziert kognitive Dissonanz beim Kaufentscheid und erhöht die subjektive Akzeptanz. Studien aus der Konsumpsychologie zeigen, dass Kaufentscheidungen bis zu 60 % stärker durch Sprachrahmen beeinflusst werden als durch inhaltliche Produktmerkmale.
Im Alltag zeigt sich Framing subtil, aber konstant. Eltern sprechen von „Mut zur Eigenständigkeit“, wenn ein Kind Widerstand zeigt – oder von „aufsässig“, je nach emotionalem Kontext. Eine betriebliche Umstrukturierung wird als „Transformation“ oder als „Kahlschlag“ beschrieben – abhängig davon, welches Bild erzeugt werden soll.
Diese Beispiele verdeutlichen: Framing ist keine sprachliche Spielerei. Es ist ein kognitives Steuerungssystem. Wer es erkennt, kann Aussagen differenzierter einordnen. Wer es reflektiert anwendet, kommuniziert wirksamer – nicht durch Manipulation, sondern durch Klarheit über Wirkung. Die Wahl der Worte ist niemals belanglos. Sie entscheidet darüber, wie Wirklichkeit erlebt und Verhalten gesteuert wird.
Framing in der Projektkommunikation: Wie Sprache Zusammenarbeit prägt
Projekte scheitern nicht nur an Ressourcen oder Prozessen. Sie scheitern oft an Kommunikation. Worte, die im Alltag beiläufig wirken, entfalten im Projektkontext eine strukturelle Wirkung. Sprache erzeugt nicht nur Information, sondern Interpretation – und damit Stimmung, Haltung und Handlungsimpulse. Framing wirkt dabei als unsichtbarer Verstärker: Es beeinflusst, wie Projektmitglieder Aufgaben einschätzen, Konflikte bewerten und Verantwortung wahrnehmen.
Wenn ein Projektleiter eine Verzögerung als „kritische Phase“ beschreibt, entsteht ein ganz anderer Bezugsrahmen, als wenn er von einer „vorübergehenden Instabilität“ spricht. Das eine aktiviert Alarmbereitschaft, das andere ermöglicht nüchterne Analyse. Beide Aussagen können sachlich korrekt sein, aber sie erzeugen unterschiedliche psychologische Resonanz im Team.
Die Formulierung „Wir stehen vor einem Problem“ legt nahe, dass etwas nicht funktioniert, möglicherweise jemand schuld ist oder eine Gefahr droht. Der Ausdruck „Wir haben eine Herausforderung“ rahmt denselben Sachverhalt als Entwicklungschance. Dieser Unterschied ist nicht kosmetisch, sondern handlungsleitend. Der Problem-Frame aktiviert Stress, Rechtfertigungsdruck und Rückzugstendenzen. Der Challenge-Frame fördert Lösungsorientierung, Kreativität und kollektives Denken.
Auch Verantwortlichkeiten lassen sich durch Framing gestalten. Der Satz „Du bist verantwortlich für das Reporting“ kann als belastend erlebt werden – besonders, wenn die implizite Botschaft lautet: „Wenn etwas schiefläuft, bist du schuld.“ Wird stattdessen gesagt: „Du sorgst dafür, dass alle den Überblick behalten“, verschiebt sich der Frame in Richtung Beitrag, Unterstützung und Vertrauen.
In Projektmeetings, Retrospektiven und Stakeholder-Gesprächen zeigt sich Framing besonders wirksam. Wer mit Begriffen wie „Verbindlichkeit“, „gemeinsames Ziel“ oder „Lernchance“ arbeitet, beeinflusst nicht nur die Wortwahl, sondern die gesamte Kooperationskultur. Sprache wird zum Steuerungsinstrument – nicht durch Lautstärke, sondern durch semantische Präzision.
Empirische Studien zur Teamkommunikation belegen, dass positive, lösungsorientierte Frames die Gruppenleistung signifikant verbessern. Teams, die dieselben Inhalte mit konstruktiven Sprachmustern rahmen, entwickeln schneller Vertrauen, treffen bessere Entscheidungen und zeigen höhere Resilienz in Krisenphasen.
Wer im Projekt spricht, führt – auch dann, wenn er keine hierarchische Rolle hat. Framing ist kein Mittel der Macht, sondern der Verantwortung. Es verlangt Sensibilität für Wirkung, Bewusstsein für Kontext und den Willen zur bewussten Gestaltung. In einer Projektwelt, die zunehmend komplex und volatil wird, ist Sprache ein entscheidender Hebel – nicht nur zur Vermittlung, sondern zur Gestaltung von Realität.
Framing in der Führung: Wie Worte Realität schaffen
Führung geschieht durch Sprache. Sie vollzieht sich nicht primär über Organigramme, Zielvereinbarungen oder Statusberichte, sondern über Kommunikation. Jedes Wort, das Führungskräfte wählen, rahmt Wahrnehmung, erzeugt Bedeutung und lenkt Verhalten. In diesem Sinne ist Framing kein rhetorisches Detail, sondern ein zentrales Führungsinstrument – ob bewusst eingesetzt oder unbewusst wirksam.
Die Sozialpsychologie spricht in diesem Zusammenhang von sensemaking: Führung ermöglicht kollektives Verstehen, indem sie Ereignisse sprachlich einordnet. Die Worte, mit denen eine Krise beschrieben wird, bestimmen, ob sie als Bedrohung oder als Transformationsmoment wahrgenommen wird. Begriffe wie „Neustart“, „Kurskorrektur“ oder „Krise“ erzeugen nicht nur emotionale Reaktionen – sie definieren, welche Handlungen als angemessen erscheinen.
Besonders in Veränderungsprozessen zeigt sich die Macht des Framing. Wird ein tiefgreifender Wandel als „Restrukturierung“ bezeichnet, ruft dies Assoziationen von Verlust, Rationalisierung und Unsicherheit hervor. Die Bezeichnung „Zukunftsprojekt“ hingegen aktiviert Hoffnung, Innovationsbereitschaft und Sinnorientierung. Beide Frames prägen, wie Mitarbeitende den Veränderungsprozess erleben – und ob sie ihn mittragen.
Führungskräfte, die sich der Wirkung ihrer Sprache bewusst sind, können gezielt Orientierung schaffen. Sie setzen Begriffe ein, um kollektive Aufmerksamkeit zu lenken, emotionale Sicherheit zu geben und gemeinsame Handlungsmuster zu fördern. Dabei geht es nicht um semantische Kosmetik, sondern um authentische Bedeutungsstiftung.
Die Führungsforschung zeigt, dass sogenannte transformational leaders besonders wirksam kommunizieren, weil sie sinnstiftende Frames einsetzen. Sie beschreiben Ziele nicht als Sollwerte, sondern als Beiträge zu etwas Grösserem. Sie benennen Herausforderungen nicht als Defizite, sondern als Entwicklungspotenziale. Sie verwenden Sprache nicht zur Kontrolle, sondern zur Mobilisierung von Engagement.
Ein Beispiel: Wer seinem Team sagt, „Wir müssen bis Freitag liefern, sonst gibt es Ärger“, erzeugt Druck, Angst und kurzfristige Anpassung. Wer dagegen formuliert, „Wenn wir das schaffen, zeigen wir, wozu wir als Team fähig sind“, aktiviert Stolz, Eigenverantwortung und Verbundenheit. Beide Aussagen beziehen sich auf dasselbe Ziel – aber sie schaffen völlig unterschiedliche Realitäten.
Sprache ist in der Führung kein Transportmittel. Sie ist das Medium, in dem Führung geschieht. Wer Frames bewusst setzt, gestaltet nicht nur Kommunikation. Er gestaltet Kultur, Beziehung und Identität. Und genau darin liegt die eigentliche Macht der Sprache in der Führung: Sie macht aus Information Bedeutung – und aus Bedeutung Handlung.
Framing erkennen: Wie du manipulative Sprachmuster entlarvst
Nicht jedes Framing ist harmlos. Sprache kann nicht nur Orientierung geben, sondern auch verengen, verzerren und instrumentalisieren. Wer Frames erkennt, schützt sich vor semantischer Vereinnahmung. In Medien, Politik, Werbung und Organisationen werden gezielte Deutungsrahmen genutzt, um bestimmte Interpretationen zu fördern und andere unsichtbar zu machen. Die Fähigkeit, solche Frames zu identifizieren, ist ein zentraler Bestandteil psychologischer Medienkompetenz.
Framing wird dann problematisch, wenn es gezielt eingesetzt wird, um komplexe Sachverhalte zu emotionalisieren oder Verantwortlichkeiten zu verschleiern. Ein Beispiel ist der Begriff „Sozialtourismus“, der in politischen Debatten dazu dient, Migration negativ zu rahmen, ohne explizit abwertende Sprache zu verwenden. Der Begriff kombiniert zwei semantische Felder – Sozialsysteme und Tourismus – zu einer Frame-Konstruktion, die systematische Ausnutzung suggeriert.
Ein weiteres Beispiel ist die Verwendung des Begriffs „Rettungspaket“ in der Finanzpolitik. Der Frame „Rettung“ erzeugt moralische Dringlichkeit und Legitimität, während alternative Begriffe wie „Haftungsgemeinschaft“ oder „Umverteilung“ andere Deutungsrahmen aktivieren würden – mit entsprechenden Folgen für öffentliche Zustimmung und politische Debatten.
In der Projektwelt zeigen sich manipulative Frames häufig in konfliktgeladenen Kontexten. Wird eine kritische Rückmeldung als „Einzelfall“ oder „isolierte Wahrnehmung“ bezeichnet, wird sie entwertet, ohne argumentativ entkräftet zu werden. Wird ein Projektabbruch als „strategische Fokussierung“ beschrieben, verschwindet das Scheitern hinter einem konstruktiven Frame. Diese Formen des Framings sind nicht falsch, aber sie sind nicht neutral – sie steuern Interpretation.
Die Kommunikationsforschung empfiehlt, auf bestimmte sprachliche Muster zu achten, um Frames zu identifizieren:
Metaphern („Wettlauf gegen die Zeit“, „Kostenexplosion“)
Euphemismen („Freisetzung von Mitarbeitenden“ statt Entlassung)
Personifizierungen („Der Markt hat reagiert“)
Dichotomien („Wir gegen die“, „richtig oder falsch“)
Kausalverkürzungen („Weil X passiert ist, muss Y folgen“)
Die Analyse solcher Muster ermöglicht es, die implizite Botschaft hinter der Oberfläche der Sprache zu erkennen. In der kritischen Diskursanalyse wird dies als De-Framing bezeichnet – die bewusste Demontage eines sprachlichen Rahmens, um alternative Deutungen zu ermöglichen.
Framing-Erkennung ist kein Misstrauen gegenüber Sprache. Sie ist ein Ausdruck von Selbstbestimmung im Denken. Wer sich der Wirkung sprachlicher Rahmung bewusst ist, kann differenzierter zuhören, präziser reagieren und sich gegen subtile Beeinflussung wappnen. In einer Gesellschaft, in der Sprache zunehmend politisiert und emotionalisiert wird, ist diese Kompetenz keine Option – sie ist Voraussetzung für mündige Kommunikation.
Bewusst framen: Wie du Sprache gezielt und verantwortungsvoll einsetzt
Framing ist kein Werkzeug exklusiv für Medienprofis oder politische Rhetorik. Es ist ein Instrument, das jeder Mensch täglich nutzt – bewusst oder unbewusst. Wer seine Wirkung kennt und reflektiert einsetzt, kann Sprache nicht nur wirksam, sondern auch verantwortungsvoll gestalten. Bewusstes Framing bedeutet nicht Manipulation. Es bedeutet, die Wirkung der eigenen Worte zu gestalten, um Klarheit, Verständlichkeit und Handlungsorientierung zu fördern.
Die Kommunikationspsychologie unterscheidet zwischen implizitem Framing und intentionalem Framing. Während ersteres automatisch geschieht – geprägt durch kulturelle Prägungen, persönliche Erfahrungen und sprachliche Gewohnheiten –, verlangt intentionales Framing ein hohes Mass an Reflexion. Es bedeutet, sich vor dem Sprechen die Frage zu stellen: Was löst meine Wortwahl im Gegenüber aus? Welche Denkrahmen aktiviere ich? Und welche Wirkung will ich wirklich erzielen?
In der Praxis lässt sich bewusstes Framing in drei Schritten umsetzen:
Analyse der Ausgangssituation: Welches Thema steht im Raum? Welche Assoziationen könnten durch bestimmte Begriffe geweckt werden? Welche bisherigen Frames existieren bereits im Denken der Zielgruppe?
Zielgerichtete Formulierung: Welche Perspektive will ich eröffnen? Welche Begriffe fördern konstruktives, lösungsorientiertes Denken? Welche Metaphern erzeugen Sinnzusammenhänge, ohne zu simplifizieren?
Reflexion der Wirkung: Wie wird meine Aussage aufgenommen? Welche Rückmeldungen entstehen? Gibt es Missverständnisse, die auf ein unpassendes Framing zurückgehen? Muss ich meinen Deutungsrahmen anpassen?
Beispiel: Wer in einem Change-Prozess von „Widerstand“ spricht, erzeugt einen Frame von Konflikt, Blockade und Problemverhalten. Der Begriff „Resonanz“ hingegen rahmt dieselbe Reaktion als Form aktiver Rückmeldung – ein Ausgangspunkt für Dialog statt Konfrontation. Die Wortwahl beeinflusst nicht nur das Gesprächsklima, sondern auch die Bereitschaft zur Mitwirkung.
Wissenschaftliche Untersuchungen aus der Organisationskommunikation bestätigen, dass bewusst gesetzte Frames die Kooperationsbereitschaft, das Vertrauen in Führung und die Qualität von Entscheidungen positiv beeinflussen können. Insbesondere positive Frames, die auf Entwicklung, Sinn oder gemeinsame Verantwortung abzielen, steigern nachweislich die Identifikation mit Zielen und Prozessen.
Bewusstes Framing verlangt Sprachsensibilität. Es verlangt die Fähigkeit, sich in das Erleben des Gegenübers hineinzudenken – nicht um zu überzeugen, sondern um Verständigung zu ermöglichen. Es bedeutet, Verantwortung für Kommunikation zu übernehmen – nicht als taktische Massnahme, sondern als ethisches Handeln.
Sprache gestaltet Wirklichkeit. Wer sich dieser Gestaltungskraft bewusst ist, spricht nicht nur präziser – er handelt bewusster. Und genau darin liegt die transformative Kraft eines verantwortungsvollen Framings.
Abschliessende Gedanken
Framing ist keine rhetorische Technik. Es ist ein fundamentaler Mechanismus menschlicher Kognition. Sprache schafft keine Abbilder der Wirklichkeit, sie schafft Wirklichkeit. Jedes Wort, jeder Begriff, jede Formulierung aktiviert Deutungsrahmen, die beeinflussen, wie Menschen denken, fühlen und handeln. Wer dies ignoriert, kommuniziert unbewusst – wer es erkennt, übernimmt Verantwortung.
Die psychologische Forschung hat wiederholt gezeigt, dass Menschen nicht auf Inhalte, sondern auf Bedeutungen reagieren. Diese Bedeutungen entstehen nicht aus Fakten, sondern aus Rahmungen. Framing lenkt Aufmerksamkeit, strukturiert Argumente, formt Emotionen und gestaltet Entscheidungsprozesse. In einer Welt voller Informationen wird der sprachliche Rahmen zum entscheidenden Filter.
Besonders in Führung, Beratung, Projektkommunikation und gesellschaftlicher Auseinandersetzung ist Framing ein machtvolles Instrument. Es kann Klarheit schaffen oder Verwirrung stiften, verbinden oder polarisieren, aktivieren oder lähmen. Entscheidend ist nicht, ob Framing stattfindet – sondern wie es gestaltet wird. Bewusstes, ethisch verantwortetes Framing ist eine Form der kulturellen Reife.
Sprache ist immer auch ein Spiegel innerer Haltung. Wer destruktiv framet, entwertet andere. Wer verantwortungsvoll framet, ermöglicht Verständnis. Wer Framing reflektiert einsetzt, fördert Dialog, Zusammenarbeit und Orientierung. In einer zunehmend polarisierten Kommunikationslandschaft ist dies keine Stilfrage, sondern eine demokratische Aufgabe.
Framing lässt sich weder abschalten noch neutralisieren. Aber es lässt sich erkennen, hinterfragen und gestalten. Genau darin liegt die Chance. Wer seine Sprache kultiviert, kultiviert sein Denken. Wer Frames bewusst wählt, schafft Räume für neue Perspektiven. Und wer die Verantwortung für seine Worte übernimmt, gestaltet Zukunft – Satz für Satz.
Quellenverzeichnis
Tversky, Amos; Kahneman, Daniel (1981).
The Framing of Decisions and the Psychology of Choice.
In: Science, Vol. 211, No. 4481, S. 453–458.
→ Grundlegende Studie zur Wirkung von Framing auf Entscheidungsverhalten; zitiert in Abschnitt 3.Lakoff, George (2004).
Don’t Think of an Elephant! Know Your Values and Frame the Debate.
Chelsea Green Publishing.
→ Theoretische Grundlage für das Konzept von Frames in der politischen Sprache; eingeführt in Abschnitt 1.Weick, Karl E. (1995).
Sensemaking in Organizations.
Thousand Oaks: Sage Publications.
→ Relevanz von Sprache in der Führung und kollektiver Bedeutungskonstruktion; zentral für Abschnitt 5.Baumeister, Roy F.; et al. (2007).
Social Cognition and Framing Effects.
In: Handbook of Social Psychology, 5th Edition.
→ Empirische Grundlagen zu kognitiven Verzerrungen durch sprachliche Rahmung; unterstützt Abschnitt 2 und 6.Fairclough, Norman (1995).
Critical Discourse Analysis: The Critical Study of Language.
London: Longman.
→ Methodische Grundlage für die Analyse und De-Framing von Machtstrukturen in Sprache; zitiert in Abschnitt 6.